
Stellt euch das Jahr 1875 vor. Keine Lifte, keine E-Bikes, nicht mal gescheite Straßen – aber im Reschnerhof war schon damals was los.
Fünf Männer hocken in der Bar. Aber statt fröhlich zu singen, sieht’s aus, als hätte einer das letzte Stück Speck gegessen. Einer liegt mit dem Kopf auf dem Tisch, so fertig, dass er die Weinflasche sicherheitshalber gleich in die Hosentasche gesteckt hat. Cleverer Zug, falls der Durst im Schlaf zurückkommt.
Die anderen starren bedrückt in die Runde. Warum? Weil sie ein Riesending verbockt haben: Sie wollten die Natur austricksen. Wasser umleiten, Kräfte bändigen, Energie zapfen – ganz ohne die alten Naturgeister um Erlaubnis zu fragen. Ein ziemlicher Frevel, wenn man Luggi glaubt.
Und da ist er auch schon: Luggi der Lügner.
Mal hängt er von der Lampe wie ein betrunkener Vogel, mal steht er mitten im Raum und ruft mit dröhnender Stimme:
„Ihr Narren! Wer das Wasser knechtet, wird von den Fluten verschluckt!“
Dramatisch, oder? Nur leider stolpert er im gleichen Moment fast in den Tonkrug der Wirtin. Prophet hin oder her – so richtig ernst nimmt ihn keiner. Bis …
Die Tür auffliegt. Ein Polizist marschiert herein, stramm wie ein Straßenbesen. „Befehl aus Wien! Ein Stausee soll entstehen!“
Bäm. Stille.
Einer greift sich an den Kopf, die Wirtin krallt den Krug fester, und selbst der Typ mit der Flasche im Hosensack bewegt sich kurz – nur um gleich wieder lauter zu schnarchen.
Und Luggi? Der johlt, stampft auf und schreit:
„Ha! Hab ich’s nicht gesagt? Die Fluten kommen! Aber diesmal nicht von Geistern, sondern von Wien!“
Die Männer greifen wieder zur Flasche. Was soll man auch sonst tun, wenn die halbe Heimat im Wasser verschwinden soll?
Und heute?
Das Wandbild hängt noch immer im Reschnerhof. Manche sehen darin nur eine alte Szene zur Sperrstunde. Andere schwören, man hört Luggi kichern, wenn die Lampe flackert.
Ob ihr ihm glaubt oder nicht – schaut euch das Bild selbst an. Aber Vorsicht: Luggi flüstert gern ins Ohr, besonders, wenn man gerade ein Glas Wein in der Hand hat …